Meiofauna - spektakuläre Tierwelt im Ostseesand

Fußspur im Sand
Fußspur im Sand

Wer am Ufersaum des Badestrandes entlang­läuft, ahnt nicht, dass unter seinen Füßen ein reges Treiben herrscht. In den Spalt­räumen zwischen den Sandkörnern lebt eine riesige Anzahl winziger Tiere, deren Vielfalt und Exotik bei näherer Betrachtung überrascht und fasziniert.

Die engen, unendlich weit verzweigten, mit Wasser gefüllten Hohlräume im Sand werden von Arten unterschiedlichster Tierstämme besiedelt. Es sind vor allem Würmer, Krebse und Milben, die sich durch geringe Körper­größe, meist wurm­förmige Gestalt und eine besondere Lebens­weise hervor­ragend an diesen Lebensraum angepasst haben. Da sie durchweg kleiner als einen Millimeter sind, werden sie als eine spezielle Tiergruppe unter der Bezeichnung „Meiofauna“ zusammen­gefasst.
Während der Sandstrand zu fast allen Jahres­zeiten und ganz besonders im Sommer für viele Menschen ein gern aufgesuchter Aufenthaltsort ist, sind die dort herrschenden Lebens­bedingungen für die in diesem Bereich vorkommenden Tiere eher extrem unwirtlich.

In der Übergangszone zwischen Land und Meer wechseln die Umwelt­bedingungen ständig und sehr deutlich. So bewirken unter­schiedliche Wasser­stände im Uferbereich, dass Wellen hier besonders stark auf den Meeres­boden einwirken und zeitweise sogar weite Flächen trocken­fallen.
Die Meiofauna ist den ständigen wechselnden Witterungs­bedingungen unmittelbar ausgesetzt. Starker Regen verdünnt das salzige Seewasser beträchtlich, sodass ein Überleben für die an Salzwasser angepassten Meerestiere problematisch wird. Und wenn kurze Zeit darauf die trocken­gefallene Fläche intensiver Sonnen­einstrahlung ausgesetzt ist, können hohe Temperaturen für die unter der Sand­oberfläche lebenden Tiere ebenfalls lebens­gefährlich werden. Hinzu kommt, dass es zeitweise an lebens­notwendigem Sauerstoff mangelt.
Es gibt nicht sehr viele Arten, die unter solchen extremen Bedingungen existieren können. Aber die wenigen, die diesen Lebensraum für sich erfolgreich erschlossen haben, kommen oft in unglaublich großer Zahl vor.

Typische Vertreter der Meiofauna: Bauchhärling, Rüsselkriecher, Muschelkrebs, Kiefermündler, Plattwurm, Borstenwurm (v. l. n. r.)
Vertreter der Meiofauna
Ruderfußkrebs
Ruderfußkrebs
Fadenwürmer
Fadenwürmer

Obwohl wir von diesem regen Treiben im Sand nichts wahrnehmen, bilden diese Lebe­wesen neben den uns wohlbekannten Muscheln, Schnecken, Meeres­ringel­würmern, Krebsen und den außerdem in unermesslich großer Zahl vorkommenden Einzellern, Algen und Bakterien ein nicht zu vernachlässigendes Element im Ökosystem der Küste.

Sie sind nicht nur eine Nahrungs­quelle für viele Fische und andere größere Tiere und damit ein wichtiges Glied in der letztendlich bis zum Menschen reichenden Nahrungs­kette, sondern sind in erheblichem Maße am Stoff­umsatz im Meer beteiligt.

Da sie im Jahresverlauf mehrere Generationen bilden, produzieren sie trotz ihrer geringen Größe bedeutende Biomassen. Allein die Faden­würmer (Nematoden), die mit circa 1 500 Tieren pro zehn Quadrat­zentimeter vorkommen, von denen ein Einzeltier im Durchschnitt nur zwei Mikrogramm wiegt, bilden im Ufersaum drei Gramm pro Quadrat­meter. Bei etwa sieben Generationen im Jahr sind das schon 21 Gramm pro Quadratmeter.
Das bedeutet, dass allein diese winzigen Würmer auf einer Fläche von einem Quadrat­kilometer jährlich circa 21 Tonnen Biomasse erzeugen. Und Meiofauna lebt auf dem Meeres­boden überall, sogar in den tiefsten Zonen der Tiefsee!

Bilder/Zeichnungen: Professor Arlt

(alle Angaben ohne Gewähr, Änderungen vorbehalten)